Mitgefühlserschöpfung und sekundäre Trauer

Mitgefühlserschlpfung wenn die sekundäre Trauer zu viel wird
Mitgefühlserschöpfung, wenn die sekundäre Trauer zu viel wird

Was soll das denn sein: „Mitgefühlserschöpfung und sekundäre Trauer“? Sekundäre Trauer ist für mich mindestens genauso vielfältig, wie die Trauer und wenn sie zu viel wird, dann leiden Angehörige unter Mitgefühlserschöpfung.

Dieser Begriff „sekundäre Trauer“ kam mir in den Sinn, als eine befreundete erfahrene Coachin und Expertin für Patchworkfamilien mich um meine Einschätzung bat. Der Begriff fasst für mich zusammen, was Menschen erleben, wenn sie einen trauernden Menschen begleiten, ohne selbst direkt betroffen zu sein. 

Meine Kollegin beschrieb mir folgende Situation:  

Die Situation

In einer Patchworkfamilie gibt es einen ständigen Konflikt, weil die Trauer des Vaters um seine verstorbene erste Frau nicht verarbeitet ist und die gesamte Patchwork- Familie belastet.

Parallele Situationen zur Mitgefühlserschöpfung

In Fachkreisen kennt man das Phänomen, dass Personal, welches mit stark traumatisierten Personen arbeitet, mit der Zeit sekundär traumatisiert werden kann (mit allen emotionalen und körperlichen Begleiterscheinungen!). Es gibt viele verschiedene Begriffe dafür, der Begriff, der mich in diesem Kontext sehr anspricht, ist der Begriff der „Mitgefühlserschöpfung“.

Überlegungen zur Mitgefühlserschöpfung und sekundärer Trauer

Um hilfreich für den Partner oder die Partnerin sein zu können, die große Trauer erlebt, lassen sich Menschen sehr ein in die Gefühlsdynamik, die durch die Trauer entsteht. Dabei ist es egal, ob es die Dynamik einer großen Traurigkeit oder auch die Vermeidung der Trauer und die damit einhergehende Anstrengung bei der Vermeidung ist.

Dabei öffnen sie sich dafür die Gefühle des Gegenübers spiegelneuronal mitzuempfinden. Sie spüren die Erschöpfung, die unendliche Leere, die Mutlosigkeit, die Scham und die Antriebslosigkeit, genauso wie die erschöpfende Geschäftigkeit und die übertriebene Fröhlichkeit beim Verdrängen des Erlebten. All dies geht oft ungefiltert auf die Angehörigen oder Freunde über. Wenn Menschen dies über einen längeren Zeitraum machen, gibt es diese „Mitgefühlserschöpfung“. Dann bräuchten diese Menschen eine Pause von der sekundären Trauer. Wenn dies nicht möglich ist, oder der Zeitpunkt dafür verpasst wurde, kann es sein, dass sie ähnliche Symptome zeigen, wie die Trauernden selber. Schlaflosigkeit, Erschöpfung, Infektanfälligkeit oder Antriebslosigkeit können die Folge sein. Oder sie gehen in die totale Abwehr und die Empathie und die Geduld mit dem Partner oder der Partnerin lässt spürbar nach.

Dies äußert sich in drängendem „Du musst endlich etwas machen, ich halte das nicht mehr aus…“ oder „lass mich mit deiner schlechten Laune in Ruhe, du kannst wieder kommen, wenn du dich wieder im Griff hast, oder eine Therapie anfängst“.

Wenn ich in Trauerbegleitungen solchen Erzählungen begegne, oft verbunden mit dem Wunsch, dass ich denjenigen „recht gebe“ für die Forderungen, werde ich hellhörig.

Hier ist es meines Erachtens wichtig klar zu machen, dass wir immer nur uns selbst ändern können, nie die anderen Menschen um uns herum. Also auch nicht die Trauernden.

Ideen zum Umgang mit sekundärer Trauer und Mitgefühlserschöpfung

Oft braucht es ganz viel Stärkung für die Angehörigen und eigene Persönlichkeitsentwicklung für sie, wenn sie an diesem Punkt angekommen sind, dass die sekundäre Trauer sie so sehr stresst, dass die Empathie verloren gegangen ist, oder körperliche Symptome auftreten.

Mein Bauchgefühl sagt mir, dass diese Patchworkfamilie ganz viel Geduld braucht mit dem Trauernden und solange derjenige selbst nicht bereit ist die Trauer anzuschauen, kann meine Freundin die Partnerin stärken. Dies geschieht, wenn sie die Mitgefühlsmüdigkeit in den Blick nimmt und die Frau stärkt ihre eigenen Grenzen zu sehen und sich selbst ernst zu nehmen mit dem, was sie braucht. Denn von ihrem Partner kann sie es gerade nicht erwarten (sollten wir das überhaupt?).

Ein solcher Weg führt aus der empfundenen Hilflosigkeit in die Übernahme der Verantwortung für sich selbst. Im besten Fall entsteht so ein stabiles Umfeld, dass es dem Partner ermöglicht die Trauer irgendwann zu durchfühlen. Dies darf nur nicht das Ziel sein!!!