Schimmelt die Oma jetzt?

Was passiert mit Oma?

„In letzter Zeit kämpfen wir total mit unserer Kleinen, weil sie abends nicht ins Bett will. Sie weint und schreit, wenn sie ins Bett gebracht werden soll, dabei hat sie immer die Einschlafgeschichten geliebt. Jetzt schläft sie nur noch irgendwann vor Erschöpfung auf meinem Arm ein. Ich bin ratlos. Dabei bräuchte ich jetzt mal Zeit für mich. Es gibt so viel zu organisieren und Zeit für meine Trauer hatte ich noch nicht. Können Sie mir helfen?“

Lange erzählt die Mutter im ersten Gespräch mir von ihren Sorgen und Bedürfnissen. Sie unterdrückt verzweifelt eine große Wut, denn eigentlich macht sie sich große Sorgen und fühlt sich hilflos.

Nach einiger Zeit frage ich sie, wie sie denn ihre Tochter in das Sterben und die Beerdigung ihrer Oma einbezogen haben. Sie erzählt, dass sie da auf den Rat einer Freundin der Familie gehört haben und der Tochter möglichst wenig erzählt hätten, um sie nicht zu sehr zu belasten. „Sie ist ja noch so klein mit ihren 3,5 Jahren.“ Während der Beerdigung hätte die Babysitterin mit ihr einen Ausflug gemacht und auf meine Frage, ob sie ihre Oma nach dem Tod nochmal besucht hätte, sehe ich großes Entsetzen und ein vehementes Kopfschütteln.

Ich sehe diese Mama, sie wacht wie eine Löwin über ihre Tochter. Sie macht sich groß, verteidigt sie und liebt sie. Ich habe die Mama gebeten, die Tochter in der nächsten Woche mitzubringen. In stark verkürzter Form möchte ich dich mitnehmen in dieses Gespräch.

"Oma ist eingeschlafen"

„Hi kleine Mona, ich bin Katharina. Es ist schön dich jetzt persönlich kennenzulernen. Deine Mama hat mir erzählt, dass deine Oma gestorben ist.
„Nein, die ist eingeschlafen“, sagt Mona. „Ach so, und wo schläft sie jetzt?“ „Das weiß ich nicht, ich darf nicht zu ihr. Ich würde sie gern wecken, aber sie wird nicht mehr wach, sagt Mama.“ „Mmmh, du würdest gerne mit ihr spielen?“ „Ja“ antwortet Mona „aber sie will nicht mehr mit mir spielen.“
„Was hat denn deiner Oma immer Freude gemacht mit dir?“ „Vorlesen und Haare flechten bei meinen Puppen. Das ist toll“.  „Und was konntest du am besten für die Oma machen?“ „Backen!“
„Weißt du, was es heißt, wenn ein Mensch gestorben ist?“ „Ja, dann kommt er in die Erde und vergammelt.“ Monas Mama schaut entsetzt und ich muss schmunzeln: „Da hast du recht, weißt du auch, warum Menschen sterben?“ „Nö“ antwortet Mona sehr prommt. „Menschen sterben, wenn sie krank sind, viele auch nach einem langen Leben, weil der Körper zu alt ist und keine Kraft mehr hat zu leben.“ „…oder wenn sie zu fest schlafen!“ ergänzt Mona voller Überzeugung.
„Nein!“ antworte ich mit Nachdruck. Wenn Erwachsene sagen, dass jemand „eingeschlafen ist“, dann meinen sie, dass jemand gestorben ist. „Dann ist Oma jetzt verbuddelt?“ fragt Mona neugierig, ohne jede Hemmung. „Ja, erinnerst du dich noch an den schönen Ausflug? In dieser Zeit war die Beerdigung deiner Oma, viele Menschen haben sich von deiner Oma verabschiedet und weil viele große Menschen da auch weinen mussten, wollte dich deine Mama da beschützen. Sie hat dir den wunderschönen Ausflug organisiert.“ Dies durfte ich noch erklären. Danach war ich „abgemeldet“ und die kleine Mona ist zu ihrer Mama geklettert auf den Schoß und hat ihr weitere 1000 Fragen gestellt. Bei manchen ganz herausfordernden Fragen, brauchte sie noch ein aufmunterndes Nicken. Aber nachdem die erste Hürde genommen war, wurde der Rest leicht.

3 Fragen und 3 Verabredungen

Willst du wissen, welche herausfordernden Fragen das waren…
Meine drei Favouriten:
Schimmelt die Oma jetzt?
Wer spielt denn jetzt mit ihr?
Darf ich dann für dich Kuchen backen?
 
Behutsam haben wir dann noch drei kleine Verabredungen getroffen:
– Mama und Mona besuchen die Oma am Grab und bringen ihr einen Kuchen (Mona:
„Den essen dann die Vögel“)
– Mama weckt Mona jeden Morgen mit einem Lied auf, damit sie nicht zu lange schläft
– Mama verspricht jetzt Mona immer zu sagen, wenn jemand gestorben ist, damit sie „tschüss“ sagen kann.

Kinder sind eine Wundertüte

Man weiß nie, was man bekommt. Aber ich wünschte ich könnte den Eltern, die vor der Entscheidung stehen, wie sie ihren Kindern den Tod erklären sagen:

Dein Kind ist stark! Mute ihm die Wahrheit zu und lass dich überraschen, was passiert.

Wenn du keine Angst hast, dann hat es dein Kind auch nicht. Wenn du Angst hast, spürt es das und entwickelt eine diffuse Angst und bezieht deine veränderte Gemütslage auf sich.

Bleib du authentisch. Traurig sein ist erlaubt! Weinen ist erlaubt! Lachen ist auch erlaubt!

Statt:

„Der Opa ist eingeschlafen“

„Oma hat uns verlassen“

„Oma ist jetzt bei den Sternen“

„Opa ist jetzt ein Schmetterling“

Lieber:

„Opa ist gestorben, möchtest du dich verabschieden?“

„Oma war sehr krank, ihr Herz hat aufgehört zu schlagen, jetzt ist sie tot.“

„Oma ist tot, ich bin sehr traurig. Ich vermisse sie, was denkst du, wo sie jetzt ist?

„Opa ist gestorben, wie möchtest du dich an ihn erinnern?“